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Bild der Exekutivdirektorin Abwicklung und Geldwäscheprävention, Birgit Rodolphe. © BaFin/Pavel Becker

Erscheinung:27.03.2024 | Thema Geldwäschebekämpfung, Abwicklung „Wer suchet, der findet!“

(BaFinJournal) Seit zwei Jahren leitet BaFin-Exekutivdirektorin Birgit Rodolphe den Geschäftsbereich Abwicklung und Geldwäscheprävention. Was sie bisher bewegt hat und worauf es ihr in den nächsten Jahren ankommt, erklärt sie im Interview.

Frau Rodolphe, Sie waren viele Jahre Bank-Managerin bei einer internationalen Großbank. Sie haben an den bedeutendsten Finanzplätzen der Welt gearbeitet. Was macht Ihren Job bei einer nationalen Aufsichtsbehörde so interessant?

Es fällt mir schwer, diese Frage knapp zu beantworten. Mein Alltag bei der BaFin ist so vielfältig und spannend. Ich kann hier wahnsinnig viel bewegen und bekomme Einblicke in Lebensbereiche, von denen ich früher nicht einmal ahnte, dass es sie gibt.

Zum Beispiel?

Ich denke da vor allem an die Verfolgung unerlaubter Geschäfte, die neben Geldwäscheprävention und Abwicklung in meinen Geschäftsbereich fallen: Hier gibt es viele spannende Fälle. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein LKW-Fahrer wurde bei einer Polizeikontrolle in Bayern rausgewinkt. Er hatte zwei Plastiktüten dabei, in denen jeweils mehr als 100.000 Euro in bar waren. Unbekannte hätten sie ihm auf einer Autobahnraststätte übergeben, er sollte sie in Bayern wieder abgeben, berichtete er. Für „Verpflegungsauslagen“ habe er einen fünfstelligen Betrag erhalten.

Offensichtlich ein illegaler Geldtransfer.

Wir gehen davon aus, dass es sich um ein Hawala-Geschäft handelt. Das ist ein weltweites Zahlungssystem außerhalb des offiziellen Finanzsektors. Hier werden vermutlich hohe Summen an Bargeld transferiert. Es funktioniert über Mittelsmänner und basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Hawala ist absolut intransparent und wird auch für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt. Diese Geschäfte sind selbstverständlich illegal und werden auch nie erlaubt sein.

Was können Sie als BaFin dagegen tun?

Wir versuchen, die Industrie zu sensibilisieren: also die Banken, aber auch Zahlungsdienstleister. Denn vielleicht wird ja ein Teil der Gelder irgendwann einmal eingezahlt. Sie sollten immer aufmerksam werden, wenn Personen plötzlich viel Bargeld einzahlen. Immer, wenn Bargeld zu Buchgeld wird, wird eine wichtige Linie überschritten. Dann muss jemand da sein, der die richtigen Fragen stellt.

Es gibt weitere Transfersysteme außerhalb der traditionellen Finanzinstitute, die für Geldwäsche genutzt werden können.

Auch bei Kryptowerten sollten Finanzinstitute Transaktionen überwachen und immer wenn Kryptowerte zum Beispiel zurück in Dollar oder Euro getauscht werden, sollten sie wachsam sein. Krypto ist ein Einfallstor für Geldwäsche. Es gibt allerdings zahlreiche weitere.

Wird man eines Tages alle Schlupflöcher schließen?

Wir werden Geldwäsche in Deutschland niemals verhindern können. Aber wir wollen es den Täterinnen und Tätern so schwer wie möglich machen, deutsche Institute für Geldwäsche zu missbrauchen.

Wie arbeiten Sie konkret daran?

Wer suchet, der findet. Wir prüfen häufiger und intensiver als früher. 2023 haben wir 90 Unternehmen des Finanzsektors geprüft. Wir schauen uns genau an: Wie sind deren Know-Your-Customer-Prozesse? Kennen Sie die Risiken ihrer Kundinnen und Kunden und haben sie diese korrekt klassifiziert? Kennen Sie die Risiken ihres Geschäftsmodells und haben entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergriffen? Leider sehen wir immer noch viele Schwachstellen, die zur Geldwäsche ausgenutzt werden können.

Wie gehen Sie damit um?

Geht es um kleinere Beanstandungen, schreiben wir die Institute an und sprechen mit den jeweiligen Geldwäschebeauftragten. Solche informellen Maßnahmen führen wir rund 600 Mal im Jahr durch. Wir sind sehr geräuschlos, schließlich wollen wir vor allem die Prävention verbessern. Uns ist wichtig, dass die Institute mitarbeiten. Ist das nicht der Fall, erhöhen wir den Druck.

Dann ordnen Sie die Mängelabarbeitung an ….

Ja und wenn die Mängel gravierend sind oder Überhand nehmen, entsenden wir auch Sonderbeauftragte, um die Fortschritte zu überwachen. Als weitere Verschärfung können wir auch Wachstums- und Geschäftsbeschränkungen verhängen.

Es muss Sie sehr schmerzen, dass trotz Ihrer Fortschritte Deutschland als Geldwäscheparadies gilt.

Ja, das ist so. Daher freut mich auch der Aufbau des künftigen Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Es soll künftig auch das Vorgehen der mehr als 300 Länderaufsichtsbehörden stärker koordinieren, die für den Nichtfinanzsektor zuständig sind. Wir als BaFin überwachen rund 8.000 Verpflichtete des Finanzsektors, das ist schon eine enorme Menge. Da setzen wir natürlich Schwerpunkte und prüfen vor allem da, wo die Risiken erhöht sind.

Frau Rodolphe, Sie sind auch für Abwicklung zuständig. Das Abwicklungsregime entstand aus den Lehren der Finanzkrise 2007/2008. Hier brachte die Insolvenz der mittelgroßen US-Investmentbank, Lehman Brothers, das komplette Finanzsystem ins Wanken. Um einen Kollaps zu verhindern, sprangen weltweit Staaten und Zentralbanken ein und stützten Finanzinstitute.

Als Lehre daraus haben wir in den vergangenen Jahren weltweit hart daran gearbeitet, dass sich so eine Finanzkrise möglichst nicht wiederholt. Deutschland ist Teil der Europäischen Bankenunion mit einem bereits sehr ausgereiften Abwicklungsregime. Die großen Institute sind mittlerweile besser auf den Ernstfall vorbereitet und haben zum Beispiel zusätzliches Kapital aufgebaut, um Verluste in einer Krisensituation abzufangen. Damit meine ich nicht nur Eigenmittel, sondern auch Fremdkapital, das wir als Abwicklungsbehörde im Falle eines Scheiterns der Bank in Eigenkapital wandeln können. Häufig fordern wir, dieses Kapital in Form von Nachrangverbindlichkeiten aufzubauen.

Kritiker behaupten, dass das Abwicklungsregime nie angewendet wird.

Das ist falsch. Unser Regime hat sich bereits bewährt: bei der Schieflage der spanischen Banco Popular. Das gleiche gilt für die SberBank Europe Aber das Wichtigste ist für mich: Das Abwicklungsregime wirkt präventiv und stabilisiert das System.

Sie meinen: Das Management geht weniger Risiken ein, weil es sich nun nicht mehr darauf verlassen kann, dass das Institut vom Staat gerettet wird.

Vor allem die Kapitalgeber sind deutlich kritischer geworden. Wenn klar ist, dass eine Bank nicht staatlich gerettet wird und die Gläubiger im Ernstfall heftige Verluste eingehen, verlangen sie einen entsprechenden Preis für das Kapital. Dies zwingt das Management zu einem bewussteren Umgang mit Risiken.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Abwicklungspläne?

Wir als Abwicklungsbehörde erstellen die Abwicklungspläne. Die Institute wirken dabei mit. Dadurch sind sie gezwungen, sich mit ihren Risiken und mit dem Moment ihres eigenen Scheiterns auseinanderzusetzen und darauf vorzubereiten.

Und was macht die BaFin, um für den Ernstfall gerüstet zu sein?

Zunächst müssen wir klären, welche Institute für eine Abwicklung überhaupt infrage kommen. Das sind zum Beispiel Institute, die finanziell stark mit anderen Finanzmarktteilnehmern vernetzt sind, oder kritische Funktionen anbieten. Denken Sie beispielsweise an ein Institut mit einer bedeutenden Rolle im Zahlungsverkehr. Bei all dem sei aber gesagt: Die meisten Häuser in Deutschland sind für eine Insolvenz vorgesehen. Das liegt vor allem daran, dass der deutsche Bankenmarkt von vielen kleinen Banken geprägt ist.

Der Fall Silicon Valley Bank in den USA zeigt, dass sich diese Einschätzung schnell ändern kann.

Ja, tatsächlich entscheiden wir immer in der akuten Situation, in der sich ein Institut in Schwierigkeiten befindet. Daher kann es sein, dass im Ernstfall auch ein Institut abgewickelt wird, das eigentlich für die Insolvenz vorgesehen war. Solche ungeplanten Abwicklungsentscheidungen wollen wir jedoch möglichst vermeiden. Bei den wenigen Grenzfällen bereiten wir uns daher lieber auf eine mögliche Abwicklung vor, auch wenn das Institut unter den meisten Umständen in die Insolvenz gehen kann.

Wie lange braucht ein Institut, um abwicklungsfähig zu sein?

Das ist ein Kraftakt. Die Institute müssen Vorsorge treiben, das kostet viel Geld und vor allem auch Zeit. Die vollständige Abwicklungsfähigkeit herzustellen, dauert in der Regel drei Jahre. In Europa ist die Mehrheit der für die Abwicklung vorgesehenen Institute mittlerweile grundsätzlich abwicklungsfähig.

Für einige von ihnen ist auch die BaFin zuständig.

Wir sind unmittelbar für alle weniger bedeutenden Institute zuständig. Die bedeutenden deutschen Institute betreuen wir gemeinsam mit dem Single Resolution Board. Das bedeutet aber nicht, dass wir Juniorpartner sind. Wir begegnen uns auf Augenhöhe – schließlich sind wir diejenigen, die eine Abwicklungsentscheidung des Single Resolution Board (SRB) für bedeutende Institute in Deutschland umsetzen würden.

Wie testen Sie, ob die Institute tatsächlich abwicklungsfähig sind?

Eine zentrale Rolle bei der Abwicklung spielen Daten. Wir testen daher beispielsweise, ob die Institute in der Lage sind, die für einen Bail-in relevanten Daten innerhalb von 24 Stunden bereitzustellen. Diese, wie auch andere Anforderungen, haben wir in den vergangenen Jahren wiederholt mit den Instituten durchgespielt. Das ist keine leichte Aufgabe. Einige Institute tun sich hier sehr schwer. Auch wenn wir dafür teilweise Verständnis haben: Wenn wir keine Fortschritte sehen, machen wir Druck.

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